Vernissage "Alte Häuser leben, erleben, leben lassen" im Vereinshaus

default alt. text

Am 09. Juni 2011 um 19.30 Uhr wird im Vereinshaus (neben dem Rathaus) die Foto-Ausstellung „Alte Häuser leben, erleben, leben lassen“ eröffnet.

Herr Andre Glauche eröffnete die Ausstellung mit den folgenden Worten:

Durchstreift man unser Dorf, so erlebt man ein Wechselspiel zwischen Landschaften und alten Siedlungsstruk­turen. Einzelobjekte und Bauensemble, welches ihr Erscheinungsbild in der historisch verwurzelten Bautradition bewahrt haben, nimmt der Betrachter in Ihrer Schönheit war. Man spürt noch heute das Können und die Berufsehre, mit denen die Menschen architektonisch schlichte Formen, zu hohem ästhetischen Ausdruck und gutem Gebrauchswert brachten. Viele Details zeugen noch heute davon, das ökonomisches und bedachtes Bauen die Schönheit eines Bauwerkes nicht in Frage stellt.

Oft verwendete man einheimische Bausstoffe die man nahe am Einbauort vor fand. Diese stellen eine regionale Besonderheit dar und wurden nicht selten mehrfach verwendet. Bei geplanten Modernisierungs- und Umbauarbeiten sollte man auf diese Besonderheiten achten und abwägen, ob eine weiterführende Nutzung möglich ist. Dazu kann die Wertschöpfung unter Einbezug der Restnutzungsdauer einzelner Bauteile erwogen werden.

Nicht alles was nicht mehr wie neu aussieht ist wertlos.

Oft haben Gebäude und Baukörper keine Daseinsberechtigung wenn sie kaputt, unansehnlich und alt sind. Werden sie abgerissen, geht die Erinnerung , das materielle Archiv, unsere Identität verloren.

Nach wie vor sind unsere Dörfer in Ihrem, das Erscheinungsbild prägenden, Bestand bedroht. In unserer Wegwerfgesellschaft werden noch immer Unmengen alter Bausubstanz auf der Schuttdeponie entsorgt. Noch immer wird von vielen kleinen Details der Eigenwert übersehen und durch Baumarktartikel ausgetauscht. Der regionale Bezug und die Tradition, bezogen auf Form und Material, kann durch europaweit verzweigte Baumarktstrukturen und ihr Industriedesign, was auf kostengünstige Herstellung bedacht ist, nicht abgefangen werden. Hierzu zähle ich schmiedeeiserne Verriegelungen jeglicher Art, Lampen, Schlösser, Türen und Tore, Pflasterungen, Dacheindeckungen, Gartenzäune und vieles mehr.

Nur ein paar Wenige bekennen sich zum Wohnen in historisch gewachsenen Strukturen. Sie bewahren Details und sanieren langsam und sorgfältig.

Beim Versuch die veränderten Lebensbedürfnisse in dem alten Haus einzubringen, merkt man schnell, wie durchdacht schon damals die Raumaufteilung und die Funktionalität berücksichtigt wurde. Durch die Beschränkung auf wenige natürliche Materialien behält das Haus seinen Charakter.

Viele bescheidene Bauten, die in Ihrer Gesamtheit den Charme und die Vielfalt unserer gewachsenen Kulturlandschaft prägen, erfahren heute eine allgemeine Wertschätzung. Von Mitbürgern werden diese alten Häuser als Geschichtsquelle erlebt und geschätzt. Sie erinnern an die Lebensverhältnisse früherer Generationen. Sanierungs- und Modernisierun­gswünsche verführen oft zu erheblichen Eingriffen in die kostbare Bausubstanz.und lassen seine geschichtliche Aussagekraft auf ein Minimum schwinden oder erlöschen vollständig. Diesen schleichenden Substanzverlust und seine verschiedenen Ursachen vor Augen zu führen war auch ein Anliegen dieser Ausstellung.

Die hier dargestellten Objekte sind vielen in Ihrem äußeren Erscheinungsbild bekannt. Es sind nur ein paar wenige Beispiele die für noch viel mehr gelungene Sanierungen in unserem Ortsbild stehen. Auf der Suche nach historischen Spuren bin ich jedoch nicht überall fündig geworden. Selbst im Gespräch mit Eigentümern, als diese Ihren kleinen Schatz historischer Fotos beitrugen, wurde oft der Verlust von Details und kleinen Ensemblen bereut. Viele haben in der Zeit der Mangelwirtschaft und mit etwas Unwissen historische Hofpflasterungen, Fenstergrößen, Außenputze und noch vieles mehr verändert und würden es heute ganz anders tun. Der Wunsch sein altes Haus unter einem neuen Mantel zu verstecken, hatte jeden Fleißigen ergriffen.

Jedoch hatte die Mangelwirtschaft auch einen unbeabsichtigten positiven Nebeneffekt. Unter dem Motto „Armut ist die beste Denkmalpflege“ haben viele alte Häuser diese saure Gurkenzeit überlebt.

Kerstin und ich wurden 1994 glückliche Besitzer eines nur wenig modernisierten kleinen Bauernhofes. So mancher Nachbar hat bestimmt mit dem Kopf geschüttelt als ich damals anfing zu bauen. Auch bei mir war das Ziel nicht 100 % genau definiert. Ich hatte wenig Geld und wollte Stück für Stück mit kleinen Schritten ein Heim für meine Familie und einen Platz für meine kleine Firma schaffen. In dieser immer hektischer werdenden Zeit ist es vielleicht schwierig mit kleinen Schritten zu gehen. Aber wenn ich mit kleinen Schritten gehe, entsteht ein Weg den ich wahrnehme.

Ich bin in der Lage zu reagieren und kann Fehler vermeiden.

Genau das habe ich bei vielen dieser fotografierten Objekte auch gesehen. Die Kirchen und die Schulen sind gute Beispiele dafür. So lässt sich gerade an der Prof. Johann Sterzel Schule und den gezeigten Fotos nur wenig Wandel über 110 Jahre Geschichte erkennen. Besuchten viele der Eltern und Großeltern schon diese Schule, so taten es auch meine Kinder vor einigen Jahren. Sie haben alle dieses alte Haus erlebt. Und dennoch, müssen wir bangen wie es weitergeht. Nicht gewachsenen Leistungsansprüchen kann dieses Haus nicht mehr genügen und auch die Bausubstanz lässt nichts zu wünschen übrig. Allein Rentabilitätskri­terien, die Anzahl der Einschulungen entscheiden über den Fortbestand des Hauses. Das imposante Erscheinungsbild der gründerzeitlichen Fassade mit den großen sandsteingerahmten Fenstern, der majestätische Aufgang und dann der Eintritt durch ein mit Halbsäulen gerahmtes Portal, hat doch bestimmt schon tausend Kinderherzen höher schlagen lassen. Also lasst die Schule leben, lasst die Schule im Dorf.

Ein weiteres Kriterium dem historische Bausubstanz zum Opfer fällt, sind oft eingeschränkte finanzielle Mittel. Diese Rechenaufgabe wird bei einer vollständigen Erneuerung eines Bauwerkes herangezogen. Dabei sollte man mit Bedacht an die Arbeit gehen und die weitere Verwertbarkeit einzelner Bauteile berücksichtigen oder wie auch hier auf den Fotos gezeigt wird, sich ein paar Aufgaben für später aufheben. Ich weiß nicht genau warum, aber die Kirchen haben es irgendwie überall geschafft, mit nur ganz wenig Bausünden positiv heraus zustechen. Fasst immer ist Ihr gewachsenes Erscheinungsbild den Menschen vertraut, läd sie ein, Beständigkeit zu erleben. Beständigkeit ist etwas angenehm Vertrautes, aber man muß es bewusst wahrnehmen und pflegen sonst geht es verloren. Nicht immer dem schnellen Wandel nacheilen. Liegt es an der behutsamen Vorgehensweise bei den Gotteshäusern?. Vielleicht an der Achtung vor dem Baumeister der mit seinen Handwerkern vor mehreren hundert Jahren dieses Haus erbaute. Aber vielleicht ist auch die Achtung vor dem Spender ein Beweis für behutsamen und sorgfältigen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Ich habe in den letzten Zeilen viele Fakten beispielhaft für behutsamen Umgang mit den historischen Häusern genannt und wie wichtig Sie für uns sind. Nicht nur das Rathaus ist gewachsene Geschichte. Auch das kleine Anwesen gegenüber, wo vielleicht noch immer ein paar Gefache unverputzt sind, sollte unser Ortsbild weiter prägen. Denn ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft. Das trifft auch auf die Baukunst zu. Auf meiner Reise mit dem Fotoapparat bin ich einigen Menschen begegnet die ich vorab noch nicht kannte und die mir dennoch das Fotographieren ermöglichten. Es gab viele richtig nette Gespräche und heute würde ich jemandem sagen der neu in einen Ort zieht, mache ein Projekt wo Du zu den Menschen gehen mußt und man lernt sich kennen.

Bei allen Eigentümern dieser hier dargestellten Objekte möchte ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Bei dem Rundgang, der von der Einganstür gleich rechts beginnt, wünsche ich Ihnen viel geweckte Neugier.

Wir hörten gerade Musik von Yan Thirsen. Jeder der noch den Film " Die fabelhafte Welt der Amelie " mit der zauberhaften Musik von Yan Thiersen in Erinnerung hat, wird sich bei den verträumten Melodien erinnert haben. Ein bisschen zauberhaft geht es auch an unserem Abend weiter. Ich kann mit großer Freude einen zweiten Höhepunkt heute Abend ankündigen. Ebenfalls zur 775 Jahrfeier unserer Gemeinde hat sich der Kulturausschuss entschlossen, mit dem Fotokünstler Andrè Wagner einen Jahreskalender für 2012 zu gestalten. Andrè Wagner, Sohn des ortsansässigen Groß- und Einzelhandelsges­chäftes Siegfried Wagner, Jahrgang 1980. Er lebt und arbeitet in der Kulturmetropole Berlin. Aber wenn man seine Vita liest, verbunden mit den Studienreisen und Auslandsaufen­thalten der letzten Jahre, weiß man das er nicht so oft in Berlin sein kann. Aus Ihm ist ein gefragter Fotokünstler geworden und wir sind stolz, das er nach Indien, Australien, Neu Seeland, Portugal, USA, Finnland um nur einige zu nennen, mehr- fach zum fotografieren in unser Dorf kam. Viele sind Ihm wahrscheinlich nicht begegnet den, man sieht es auf vielen seiner Fotos, er ist ein wenig nachtaktiv. Er hat eine Idee, er sieht ein Gebilde das am Ende entsteht. Den Weg dahin, oder wie es gezeichnet wird, überlässt er der Zeit und dem Licht. Mit diesen beiden Medien zaubert André so fabelhaft, das man sich nur wundert, warum man selbst dies noch nicht so wahrgenommen hat. Wenn man besonders die hier ausgestellten Landschaftsbilder sieht, frage ich mich „wo kommt nur das Licht her“ ? Ist es nur dem Meisterfotograf vergönnt, es zu sehen. Hat Er nur diese Gabe, diese Vorstellungskraft. Er beweist mit diesen Fotos ein Gespür für das Gegenwärtige und lässt sich auf den Moment mit seiner Kamera ein. Das kann ein langer Moment sein wenn man die Leuchtspuren der Sterne am Himmel betrachtet. Sein wohl vielen bekanntes und ausgezeichnetes Bild SOUND, vom Niederfrohnaer Baum, zeigt uns das hautnah. Vergleichbare Spuren finden wir bei der hier ausgestellten Niederfrohnaer Feuerwache. Andre Wagner stellt Architektur brillant in den Mittelpunkt und lässt sie wirken. Vom Standort der Kamera aus nimmt der Betrachter Linien und Gliederungen war. Gleichmäßigkeiten, bewusst oder unbewusst in Szene gesetzt, lassen den Viehweg genauso schön dastehen wie die farbig markanten Schichten beim Bau der neuen Autobahn, vor dieser endlos grünen Landschaft rund um Niederfrohna. Zur schönen Landschaft rund um Niederfrohna gehört auch Endisch s Teich. In meinen Augen eines der fantastischsten und malerischsten Bilder dieses Kalenders. Auch hier kann man nur schwer sein Auge mit dem des Künstlers vergleichen, ist Ihm aber am Ende dankbar, das er das Gesehene festgehalten hat. Dekadenz, Verfall – einfach nur schlechte Straße, geht wohl bei Vielen im Kopf herum, wenn Sie das Bild von der Unteren Hauptstraße sehen. Bezogen rein auf das Abgebildete auch war, bedenkt man jedoch das der Künstler Andre Wagner im Unterdorf aufgewachsen, dort seine Spuren hinterlassen und mit Erinnerungen an Damals gekommen ist, weiß man es einzuordnen. Wie oft kam er mit dem Fahrrad aus der Schule oder anderswoher und dachte, nur noch diese lange Gerade

  • dann bin ich zu Hause. Im Auto kommt noch zusätzlich die akustische Klangveränderun­g hinzu,

wenn man über teilweise unrythmisch angelegte Kopfsteinpflas­terpasagen fährt. Vielleicht ist es Andre Wagner mit dem Bild gelungen, diese Schwingungen aufzunehmen. Jeder von Ihnen weiß, wie schwer es Kunst hat, heute in der Gesellschaft Platz zu finden. Die Fotografie hat es wohl noch einmal schwerer wenn man bedenkt, das schnell ein billiger Druck im Möbelhaus nebenan, erworben werden kann. Zusätzlich sind viele Menschen der Meinung, mit einem Photoprogramm auf dem Computer alles selber machen zu können. Ich glaube das die Sicht und die Auswahl der Objekte unseres Dorfes, vom Weltenbummler Andre Wagner wahrgenommen und fotografisch wiedergegeben, in diesem hier dargestellten Kalender, beispiellos ist. Andre Wagner kann heute leider nicht hier sein. Am heutigen Tag, um 19.00 Uhr, eröffnet die Galerie Samuelis Baumgarte in Bielefeld eine Einzelausstellung mit seinen Fotos. Auf der Seite der Galerie finden sich Namen wie Gerhard Richter und Georg Baselitz. In solch hochkarätiger Umgebung kann man Andre Wagner nur alles Gute wünschen. Andre Wagner hat bis zur letzten Minute die gesamte Entstehung des Kalenders bis zum Druck mit getragen. In seinem Namen, hier alle anwesenden Gäste zu grüßen, hatte er mir telefonisch gestern noch aufgetragen. Ein Dankeschön geht auch noch an die Mitglieder des Kulturausschusses, an die Gemeinde Niederfrohna, welche die finanzielle Unterstützung zugesagt und an Kerstin Glauche, die auch in diesem Projekt die Fäden zum Künstler und bis zur Druckerei gesponnen hat. Der Sina und der Lea gilt unser Dank für die musikalische Untermalung des heutigen Abends. Es bleibt mir nur noch übrig, dem fertigen Kalender eine allgemein positive Resonanz zu wünschen und das so manches Bild über die Jahreswende 2012 – 2013 hinaus, in einem Rahmen weiterlebt.