Heimatblatt 10/2009 Interview mit Pfarrer Jung

Anlässlich der traditionellen Baumpflanzung ob der urkundlichen Ersterwähnung von »Frohne« gewährte Pfarrer Jung dem Heimatblatt freundlicherweise ein Interview:

Herr Pfarrer, Sie waren vor 20 Jahren als Pfarrer der Kirchgemeinde Niederfrohna tätig. Im Sommer 1989 trafen sich Bürger zu einer Umweltbürgeri­nitiative, darunter waren auch Sie?

Pfarrer Jung: Daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Meine Erinnerungen setzen erst ab November 1989 ein, aber auch nur deshalb, weil ich vor einiger Zeit eine Art Kalender anlegte. Ich hatte selbst keine ausführlichen Aufzeichnungen, nur Stichworte und einzelne Zettel.

Sie öffneten damals die Johannis-Kirche für Friedensgebete. Warum machten Sie das?

Pfarrer Jung: Wie jeder normale Mensch war ich eigentlich voll ausgelastet mit der tagtäglichen Arbeit. Aber im Fernsehen sah man ja, dass sich in der ganzen DDR etwas tat. Außerdem fuhren Leute aus dem Dorf zur Demo nach Limbach. Wir meinten, das sollte nicht an Niederfrohna vorbeigehen. So reagierte ich auf die erste Anfrage positiv. Die Friedensgebete wurden 1990 mit Veranstaltungen in der Kirche fortgesetzt, in denen sich Parteien und Wählervereinigung den Bürgern vor der Volkskammerwahl im März vorstellen. Nach der Wahl endeten die Veranstaltungen­. Warum?

Pfarrer Jung: Bei uns hat alles etwas spät angefangen und hörte auch schnell wieder auf. Als die neuen Parteien in anderen Orten noch diskutierten, war bei uns die Bürgerinitiative schon lange in den Gemeinderat übergegangen und dominierte den Rat mit Sacharbeit. Allerdings ist es so, dass die Bürgerinitiative nicht nur für die Volkskammerwahl, sondern auch für die Kommunalwahl 1990 gesorgt hat.

Herr Pfarrer, sowohl in die Umwelt-Bürgerinitiative als auch in die Bürgerinitiative brachten Sie das »Know-how« in brachten Sie das »Know-how« in Sachen Diskussionskultur ein. Wo hatten Sie das gelernt und geübt?

Pfarrer Jung: So zwingend kann man das vielleicht nicht sagen. Es war lediglich so, dass wir in der evangelischen Kirche über die Jahre hinweg versucht haben, uns in demokratischer Arbeitsweise zu üben. Das gelang durchaus nicht immer. Zum Teil sammelten wir auch parlamentarische Erfahrungen. Da konnte man lernen mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen und nach einem Konsens zu suchen. Demokratie fing an der Basis an, in der Kirchgemeinde vor Ort. Was ein guter Kirchenvorstand war, der hat nach den besten Lösungen gesucht. Dass man ab und zu an Sachzwängen nicht vorbei kam, das gehört dazu. Die großen Herausvorderungen waren vor allem in der baulichen Erhaltung der Kirchengebäude zu suchen. Damals war das Material die knappe Ressource, heute ist es das Geld. In der Landessynode kamen die Vorschläge der die Vorschläge der einzelnen Kirchgemeinden zusammen. Dort wurde nicht nach der Herkunft des Vorschlages gefragt, sondern nach seiner Stichhaltigkeit. Wir konnten in der evangelischen Kirche praktisch Demokratie üben. Bei uns ging es nicht um ideologische Fragen. Wir konnten unsere besten Leute an die richtigen Stellen bringen und gleichzeitig darauf achten, dass auch der Querschnitt unserer Kirchgemeinde­glieder angemessen vertreten wird. Zwangsläufig kam es dabei zu unterschiedlichen oder gegensätzlichen Meinungen. Aber damit konnten wir leben.

Gab es in dieser kontinuierlichen Entwicklung vielleicht auch in den 1980er Jahren neue Impulse?

Pfarrer Jung: In den 1980er Jahren fanden verschiedene Basisgruppen unter dem Dach der Kirche ihren Platz. Von diesen Basisgruppen gingen neue Impulse aus. Das war für die Kirchgemeinden, Kirchenvorstände und besonders für die Kirchenleitungen nicht immer einfach. Bis heute gibt es unterschiedliche Meinungen in der Kirche über diese neuen Erscheinungen.

Aber vielleicht darf ich zum Abschluss auch eine Frage stellen?

Selbstverständlich.

Pfarrer Jung: Warum wird in Niederfrohna nicht der Ereignisse von vor 20 Jahren gedacht? Auch in anderen Orten gab es Bürgerinitiativen. Aber in Niederfrohna konnte die Bürgerinitiative sachkundige Vertreter in den Gemeinderat entsenden. Von da an dominierte die Sacharbeit den Gemeinderat. Parteienstreit spielte in Niederfrohna keine Rolle. Ist das nicht ein zukunftsweisendes Modell, auch für unsere Gegenwart und Zukunft? Warum erinnert man in Niederfrohna nicht daran? Ich meine nicht das Erinnern an die gute alte Wendezeit in nostalgischer Gefühlsduselei, sondern als Besinnung auf die Kraft, die wir hatten und die wir für die heutigen Probleme wieder neu brauchen. Etwas zum Guten wird sich nur durch den Einsatz vieler ändern.

Sehr geehrter Herr Pfarrer, vielen Dank für das Gespräch. (18.10.09-ae)