Heimatblatt 12/2002 - Mit dem Bürgermeister im Gespräch

Gedanken des Bürgermeisters von Niederfrohna zum Jahreswechsel

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, an welche Ereignisse des Jahres 2002 erinnern Sie sich besonders ?

Das Jahr 2002 brachte uns den Vollzug der letzten Stufe der Gemeindegebietsreform: aus dem Niederfrohnaer Rathaus wurden vier Kolleginnen und Kollegen von der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna übernommen. Dies war verbunden mit einer unnötig komplizierten Umstellung, weil die Vorbereitung unprofessionell und zu spät erfolgte. In der Sitzung des Gemeinschaftsausschusses vom 15.10.01 setzte die Stadtverwaltung diese Frage erstmals auf die Tagesordnung. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich andere Gemeinden schon auf schriftliche Vereinbarungen mit der jeweiligen Stadt geeinigt. Letztlich fehlte in unserem Fall schließlich sogar die Zeit für einen ordnungsgemäßen Vollzug. Mit Problemen in Personalangelegenheiten ging es weiter. Auf unsere Fragen bekamen wir nur zu hören, dass in Limbach-Oberfrohna schon alles nach Recht und Gesetz geregelt werde. Deshalb waren wir auch überrascht, als wir dann mit der Entlassung unseres ehemaligen Mitarbeiters Rolf Hößler recht schnell ein negatives Beispiel für die Limbach-Oberfrohnaer Auffassung von ”Recht und Gesetz” geliefert bekamen. Vor Gericht erhielt Herr Hößler dann auch mit seiner Klage gegen die Stadtverwaltung zu 100 % Recht. Doch als wir glaubten damit werde nun Frieden einziehen, da wurden wir wieder enttäuscht. Herr Hößler muss noch einmal das Gericht anrufen um sein Recht zu wahren. Unsere Bitten um Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen Gemeinde und Stadt wurden immer mit dem Hinweis abgewiesen, dass in ”Limbach-Oberfrohna alles nach Recht und Gesetz” vor sich gehe.

Aber überwiegen nicht letztlich die Vorteile einer solchen Verwaltungsgemeinschaft, die Kosteneinsparungen, mit denen der Gesetzgeber das Gesetz begründete?

Die vom Gesetzgeber vorgegeben Einsparungen, die durch den Vollzug der Gemeindegebietsreform eintreten sollten, sind für unsere Gemeinde bis jetzt nicht eingetreten. Deshalb muss an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, wie das gesetzlich vorgegeben Ziel der finanziellen Einsparung in unserem Fall umgesetzt werden soll. Denn weder kann die Gemeinde Niederfrohna mehr Verwaltungskosten bezahlen als bisher, noch kann die Stadt Limbach-Oberfrohna offensichtlich von ihrem teureren Kostenniveau abweichen. Das Gesetz verursachte hier einen sogenannten ”Zielkonflikt”. Man hätte erwarten können, dass die Aufsichtsbehörden bei der zivilisierten Lösung dieses Interessenkonfliktes behilflich sind. Dem Anschein nach sind Parteiinteressen in solchen Fragen aber eher hinderlich für eine zeitgemäße, moderne Kommunalpolitik.
Der Umgang mit dem Einbruch in unser Rathaus am 15.03.02 enthüllte schonungslos das Niveau dieser Beziehung. Einerseits deutet das professionelle Vorgehen der Einbrecher an, dass man in Zukunft vielleicht noch mit ganz anderen Delikten zu rechnen haben wird und dass man ein öffentliches Gebäude auf herkömmliche Art gar nicht ausreichend gegen solche Verbrecher sichern kann. Andererseits versuchte die ”erfüllende Gemeinde” in der Verwaltungsgemeinschaft, die Stadtverwaltung, in dieser für uns schwierigen Situation, noch politisches Kapital zu schlagen. Es wurde polemisiert und ohne Rücksicht mit allen Forderungen zuerst an die Presse gegangen, statt bei der Problemlösung behilflich zu sein. Bei allem Ärger, der schon durch den Einbruch entstand, gesellte sich der Ärger mit der Stadtverwaltung. Am Ende bekamen wir zwar Recht aber kein einziges Wort der Entschuldigung. Dies zeigt doch, dass wir selbst von ganz normalen Beziehungen noch meilenweit entfernt sind.

Wird die Verwaltungszentralisierung,, der unsere Gemeinde unterworfen wurde und die neben der Kreisreform fast die einzige ”Reform ” der sächsischen CDU-Regierung seit 1990 darstellt, den heutigen Anforderungen gerecht?

Die Zentralisierungen, die wir in Sachsen seit 1990 erlebten, muss man in die Zentralisierungsmaßnahmen der alten Bundesrepublik einordnen. Es war die simple Fortsetzung eines vor Jahrzehnten eingeschlagenen Weges nach dem Slogan ”weiter so!”. Aber bereits in der alten Bundesrepublik meldeten sich Stimmen, die darauf verwiesen, dass man bei all der Zentralisierung die Bedeutung von kleinen Gemeinschaften und Verbänden für die Stabilität des sozialen Ganzen sträflich ignoriert habe. Bei der Zentralisierung bleibt das Menschliche auf der Strecke. Es ist aber in der Wissenschaft unbestritten und in der Praxis sogar bewiesen, dass kleinere Gemeinden sogar effizienter arbeiten können als unübersichtliche Großverwaltungen.
Die Handlungsunfähigkeit von Großverwaltungen in heutigen Großstädten oder Riesenkonzernen demonstriert auf negative Weise die Notwendigkeit der Dezentralisierung. In einigen deutschen Großstädten existieren bereits Gettos, dies sich jeder Einbindung in das kommunale Leben entziehen.
Der Streit um die Höhe der Verwaltungsumlage zwischen Niederfrohna und Limbach-Oberfrohna enthüllt somit auch das allgemeine Dilemma.
Doch gerade in der jetzigen Situation der angespannten öffentliche Haushalte wirkt der Vollzug der letzten Stufe der Gemeindegebietsreform in Sachsen ausgesprochen kontraproduktiv. Man zwingt den letzten kleinen Gemeinden ein System auf, das die Verwaltungskosten enorm steigert. In unserem Fall von 161.000 Büro auf 247.000 Büro. Ein paradoxer Effekt einer unintelligenten, völlig überholten ”Reform”.

Wie soll das Weitergehen?

Wir müssen unsere Gemeinde-Interessen durchsetzen, notfalls wieder über den Rechtsweg. Aber die Zentralisierung ist letztlich vom Gesetzgeber gewollt. CDU-Landesregierung und CDU-Landtagsmehrheit setzten diesen Prozess in Gang. Der Gesetzgeber verordnete uns die Verwaltungsgemeinschaft. Auf dem Rechtsweg wird es daher länger dauern, bis wir unsere kommunale Selbstverwaltung wieder errungen haben werden. Wir können aber von der Stadt Limbach-Oberfrohna zumindest erwarten, dass eine sachliche Atmosphäre in die verordnete Verwaltungsgemeinschaft einzieht. Man kann von uns auch nicht verlangen, dass wir unsere Interessen völlig dem großen Partner opfern. Man muss nach Gemeinsamkeiten suchen und auch Interessenkonflikte unhysterisch angehen. Wenn man schon solche Interessenkonflikte nicht zivilisiert lösen kann, was soll dann erst in einem Katastrophenfall, im Ernstfall geschehen?

”Katastrophenfall” - welche Bilanz ergibt sich nach dem August-Hochwasser für unsere Gemeinde?

Wir hatten gegen die Hochwasserkatastrophe zu kämpfen, die sich im August in Sachsen und Böhmen abspielte. Glücklicherweise blieb unsere Gemeinde von der ganz großen Flutwelle verschont, aber das muss in der Zukunft nicht immer so sein. Dieses Mal entstand in Niederfrohna ein Schaden von 90.000,00 Büro. Bis auf die Regulierung im Außenbereich ist der Schaden innerörtlich bis zur Stunde behoben worden. Es zeigte sich aber in dieser Nacht, dass viele Anwohner des Baches ihr Anwesen noch nicht angemessen auf solche Situationen vorbereitet haben, Die Kameraden der FFW haben in diesen Stunden hervorragend gearbeitet. Es wurde geholfen, wo zu helfen war. Wir müssen aber konstatieren, dass in solchen Situationen auch die technischen Möglichkeiten der FFW begrenzt sind. Wir haben eben keine 50 Pumpen und können uns auch nicht so viel anschaffen. Der private Hausbesitzer muss sich schon auch selbst mit Rückstauklappen und Hauspumpen sichern. Unsere FFW hatte bei diesem Einsatz ein technischer Schaden von 15.000 Büro. Bei der Behebung dieses Schadens macht sich die unnötige Abschaffung der ”Feuerwehrabgabe” negativ bemerkbar. Heute wie vor 500 Jahren ist es eine Tatsache, dass wir uns nur selbst helfen können. In Bezug auf dies technischen Schäden können wir nur hoffen, dass der Staat uns bei der Behebung hilft, um die Einsatzbereitschaft der FFW wieder voll und ganz wiederherzustellen.

Die Flut hat uns aber auch gezeigt, dass viele Probleme hausgemacht sind: einige Anwohner ”entsorgen” immer noch Abfälle in den Bach. Doch diese ”Entsorgung” vergrößerte die Probleme während der Katastrophe: die Abfälle sorgten für Staus an der falschen Stelle und die Einsatzkräfte wurden behindert und gefährdet. Es muss deshalb zuerst in unseren Köpfen ”geklärt” werden, dass es nicht nur um einen von Textilindustrie-Farbe freien Frohnbach gehen muss, sondern auch einen von Abfällen freien Bach!

Welche Baumaßnahmen waren besonders bedeutsam?

Der Ausbau der Kläranlage in Niederfrohna, die im Oktober als Teilübergabe mit den neuen Anlagen in Betrieb ging, war besonders bedeutsam. Mit dieser Baumaßnahme, die den Anwohnern noch einmal eine erhöhte Belastung bringt, wird aber letztlich die Voraussetzung geschaffen, um die unmittelbaren Anwohner, die Bürger unseres Ortes, die Region, die Mulden- und Elbeanrainer bis hin zur Nordsee weniger mit Schadstoffen und Geruch zu belasten. Am Ende des Ausbaus, wenn die Bioreaktoren mit einer Abdeckung versehen sind, wird die volle Wirkung der neuen Anlage greifen. Mit der gewaltigen finanziellen Anstrengung von Gebührenzahlern, Steuerzahlern und Zweckverband werden wir auch unserer Verantwortung gegenüber der Natur und den anderen Menschen gerecht.

Welche Ereignisse ragten in politischer Hinsicht im letzten Jahr aus dem Alltag heraus?

Der politische Höhepunkt des vergangenen Jahres war ohne Zweifel die Bundestagswahl, gleichgültig wie man zu deren Ergebnissen stehen mag. Eine Reform unseres Staatswesens wird von allen Seiten befürwortet. Die derzeitige Regierung bringt aber ihren Reformwillen nur ”tröpfchenweise” in die Wirklichkeit. Durch diese Zögerlichkeit werden letztlich einzelne Berufsgruppen, Altersgruppen usw. gegeneinander aufgebracht. Daraus resultiert wieder die allgemeine Unzufriedenheit aller mit allem. Wir müssen uns aber zuerst an die eigene Nase fassen: Wie soll die Reform eigentlich aussehen? Die Bürger sind gefragt sich hier hörbar einzumischen.

Welche Sorgen haben Sie?

Ich mache mir um viele Dinge sorgen. Aber gestatten Sie mir ein Problem herauszustellen. Auch in diesem Jahr mussten wir in unserer Gemeinde wieder die Folgen von Vandalismus von Kindern und Jugendlichen quittieren. Wir können in unserer Gemeinde aber einfach nicht hinnehmen, dass wir mit dem wenigen uns zur Verfügung stehenden Geld auch noch für die Folgen dieses Vandalismus aufkommen müssen. Deshalb rufe ich alle auf, die für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen Verantwortung tragen, Eltern und Großeltern, Lehrer und Erzieher: bringen Sie den Kindern- und Jugendlichen bitte nahe, dass das kommunale Eigentum allen Bürgern gehört und dass alle Bürger der Gemeinde für dessen Schutz Verantwortung tragen.
Gleichzeitig wünsche ich mir auch, dass im nächsten Jahr noch mehr Kinder und Jugendliche in den Vereinen unserer Gemeinde eine Heimat finden mögen. Wir sind in der glücklichen Lage mit einem pulsierenden Vereinsleben und einem umfangreichen Freizeitangebot aufwarten zu können. Den Mitgliedern der Vereine, von FFW und DRK möchte ich auf diesem Wege für ihre ehrenamtliche Tätigkeit, die letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gemeinde zu Gute kommt, recht herzlich danken.

Auf welches Ereignis im kommenden Jahr freuen Sie sich besonders?

Auf die Einweihung des neuen Kindergartens. Im letzten Winter mussten wir einige Verzögerungen des Bauablaufes hinnehmen. Trotz all unserer Aufhol-Bemühungen können wir den ursprünglich ins Auge gefassten Termin vom 51.05.2005 wahrscheinlich nicht ganz halten. Aber in Frühjahr 2005 wird der neue Kindergarten auf alle Fälle seiner eigentlichen Bestimmung übergeben werden. Damit vervollständigen wir auch endlich die Infrastruktur in unserem Ort.

Was wünschen Sie unserer Gemeinde für 2003?

Ich möchte allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gemeinde ein gesegnetes Weihnachtsfest und gesundes und zufriedenes neues Jahr 2005 wünschen.

Vielleicht gibt die Stadt Limbach-Oberfrohna 2005 endlich auch ihre Blockadehaltung in Sachen Rückzahlung von ca. 672.000 Büro Investitionskosten im Zweckverband Frohnbach an unsere Gemeinde auf. (s. Bericht S. 14-15) Das könnte der erste Schritt zu einer ganz normale Verwaltungsgemeinschaft werden. Man sollte einfach einmal Vertrauen wagen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, recht herzlichen Dank für das Gespräch.

(ae-09.12.02)