Kleine Marken sorgen für große Allgemeinbildung

UMLANDGESCHICHTEN: Peter Esche aus Niederfrohna begeistert seit Jahren junge Leute für die Philatelie - Bei zahlreichen Ausstellungen erfolgreich

Niederfrohna. Sie sind weggegangen und heimgekehrt, sie haben sich fürs Hierbleiben entschieden: Menschen im Chemnitzer Umland. Die großen Veränderungen der Zeit spiegeln sich in ihrem Leben. Sachsen hat seit 1990 neun Prozent seiner Bevölkerung verloren. Was Menschen in der Region hält, findet sich in ihrem Alltag wieder. Wir haben uns mit ihnen unterhalten und stellen sie vor.

”Philatelisten interessieren sich nicht nur für Briefmarken, sondern für alle postalischen Dinge, wie Ersttagsbriefe oder Poststempel”, sagt Peter Esche. Der Niederfrohnaer frönt seit seiner lugend diesem Hobby. Er weiß noch genau, wie er dazu kam: ”1954 habe ich mir die erste Sondermarke gekauft. Sie erschien zum einjährigen Todestag Stalins. Die Philatelie-Arbeitsgemeinschaft an unserer Niederfrohnaer Schule hat damals meine Sammelleidenschaft geweckt.”

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Experten unter sich: Ralf Herrmann begutachtet mit Peter Esche sieine Sammlung (Foto: Jürgen Sorge)

Heute kann der Sammler stundenlang in seinen umfangreichen Schätzen blättern, dabei abschalten, entspannen und stets Neues entdecken. Er legt von jeher viel Wert darauf, Beruf und Hobby zu verknüpfen. Während seiner langjährigen Tätigkeit als Diplomingenieur im Forschungszentrum des Fritz-Heckert-Kombinates entstand eine umfangreiche Sammlung zum Thema ”Werkzeugmaschinenbau und Werkzeuge aus der DDR”. Mit dieser Sammlung hat sich der Niederfrohnaer bei internationalen Ausstellungen auf Rang eins hochgearbeitet. Vom 3. bis 5. Oktober wird er sie im Chemnitzer Industriemuseum ausstellen. Seine jüngste Sammlung ”Ausgewählte touristische Sehenswürdigkeiten in Sachsen” kommt auch nicht von ungefähr. Schließlich arbeitete Esche seit der Wende bis zur Pensionierung als Amtsleiter für Tourismus beim Kreis Chemnitzer Land.

Seine umfangreichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Philatelie gibt er auch gern an junge Leute weiter. In der Gruppe der jungen Briefmarkenfreunde Niederfrohna und Umgebung machen derzeit vier Jungs mit. Obwohl Esche wegen einer Krankheit derzeit nicht zu regelmäßigen Zusammenkünften einladen kann, trifft er sich mit den Sammlern bei sich zu Hause.

Einer von ihnen ist Ralf Herrmann. Der 16-Jährige interessiert sich für Computer und die Kommunikationstechnik. Das reflektiert er auch in seiner Sammlung. Auf 24 DIN-A-4-Seiten hat er Briefmarken, Poststempel und Briefe zu diesem Thema zusammengefasst. Da finden sich auf Briefmarken Abbildungen ägyptischer Hieroglyphen und das Porträt des Buchdruck-Erfinders Johann Gutenberg ebenso wie Bilder von modernen Handys und Computern. Besonders stolz ist Ralf auf rare Sachen, nach denen er lange suchte, wie etwa einen Sonderstempel der Christoffel Blindenmission (CBM).

Natürlich kommen die beiden Experten schnell ins Fachsimpeln. Wann gab es die ersten Briefmarken auf deutschen Boden? Peter Esche weiß Bescheid: ”Peter Haseney schuf die erste deutsche Briefmarke. Die Bayem-Ein-Kreuzer-Marke erschien am 1. November 1849 und bildete das Grundmuster für den späteren Sachsen-Dreier, eine der bekanntesten Briefmarken. Diese erschien am 1. Juli 1850 in einer Auflage von einer halben Million Exemplaren. Genau 463.118 Stück wurden verkauft, die übrigen vernichtet. Der Sachsen-Dreier wurde hauptsächlich zum Versenden von Zeitungen und da gleichzeitig als Verschluss des Streifbandes verwendet. Deshalb sind die meisten Marken zerrissen.”

Dass die Philatelie gut für die Allgemeinbildung ist, steht für den versierten Sammler außer Frage. Esche bedauert deshalb, dass sich nur noch wenig Leute für dieses Hobby interessieren. Zu DDR-Zeiten machten allein in der Philatelie AG des Kulturbundes in Niederfrohna im Schnitt 25 Leute mit. Im damaligen Kreis gab es fast zehn Jugendgruppen. Esche, der auch als Jugendleiter im Kreis arbeitete, denkt gern an manche Ausfahrten zu DDR-Jugend-Ausstellungen zurück, die auch mit Ausflügen zu touristischen Sehenswürdigkeiten der Gastgeberstädte verbunden waren. Teilnehmer, die heute noch davon schwärmen, sind für Esche das schönste Lob.

Erfreulich ist für ihn, dass seine vier Schützlinge nach wie vor mit Begeisterung bei der Sache sind und durch gründliche Arbeit echte Qualität liefern. Er zeigt eine lange Liste mit regionalen und überregionalen Ausstellungen, an denen sie sich erfolgreich beteiligten. ”Auszeichnungen und Medaillen sind stets die schönste Belohnung für die Arbeit im stillen Kämmerlein.”

Freie Presse 02.08.2003 (SO)